UNTERNEHMERTAG
Bildlegende: Digitalisierung und Innovation im Fokus: Ulrike Baumöl, Rektorin der Universität Liechtenstein.
«Innovation und Wachstum entstehen durch Menschen»
Ulrike Baumöl diskutiert am Unternehmertag über die richtigen Rezepte für ein nachhaltiges Wachstum nach der Corona-Pandemie. Die Rektorin der Universität Liechtenstein will deshalb die Themen Digitalisierung und Innovation weiterhin mit Hochdruck vorantreiben. Interview: Patrick Stahl
Frau Baumöl, wie haben Sie die Corona-Pandemie beruflich und privat erlebt?
Die Universität Liechtenstein hat den Lehrbetrieb am Campus noch vor dem Regierungsentscheid zum Lockdown heruntergefahren und wir haben innerhalb einer Woche vollständig auf virtualisierte Lehre umgestellt. Das war ein Kraftakt für alle Beteiligten, der aber durch grosses Engagement und Zusammenhalt auf allen Seiten gut gelungen ist. Natürlich wurde das Arbeiten von zu Hause schnell zur neuen Wirklichkeit – auch da hat die sofortige Umstellung aber gut funktioniert. Beruflich wie privat habe ich versucht, über digitale Kanäle persönlich in Kontakt zu bleiben und Gemeinschaft in einer ausserordentlichen Situation zu pflegen.
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt stärker verändert als Experten geglaubt hätten. Welche langfristigen Auswirkungen werden Homeoffice, Homeschooling und Videokonferenzen haben?
Die Corona-Pandemie hat bei uns anstehende oder gestartete Digitalisierungsprojekte beschleunigt, z.B. in der Lehre, aber auch interne Prozesse. Diese Erfahrungen fliessen nun in die Vorstellungen von einer «Post-Corona Uni» und in didaktische Konzepte wie «flipped classroom» bzw. «blended learning» ein. Diesbezüglich werden wir einen flexiblen «Werkzeugkasten» entwickeln. Die Krise hat bewiesen, dass das Arbeiten von zu Hause nicht nur im akademischen Bereich durchaus funktioniert, sondern auch in der Verwaltung. Wir werden also einen Aufschwung für flexible Konzepte sehen.
Welche Auswirkungen hat dies auf die Kompetenzanforderungen an die Mitarbeiter?
Vertrauen zu geben und damit umzugehen steht im Vordergrund. Technische Kompetenzen sind keine Barriere mehr, weil die Bedienung der Werkzeuge denkbar einfach geworden ist, egal ob bei geschäftlichen Videokonferenzen oder privatem Online-Yoga.
Der diesjährige Unternehmertag steht unter dem Titel «Wachstum und Innovation». Welche Rolle spielen diese beiden Themen bei der Überwindung der aktuellen Wirtschaftskrise?
Für eine Universitätsrektorin wenig überraschend, sehe ich Innovation als Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit des Landes und der Region. Deshalb gehören Digitalisierung und Innovation auch zu den Kernthemen der Universität, in denen wir mit Hochdruck – gemeinsam mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – an Lösungen arbeiten, die dann in die Praxis transferiert werden und letztlich zu Wachstum führen.
Sie diskutieren am Unternehmertag gemeinsam mit Wirtschaftsminister Daniel Risch und Ökonom Mathias Binswanger über die richtigen Rezepte für ein nachhaltiges Wachstum. Was ist ihr Rezept?
Vielleicht gibt es kein Patentrezept, aber ich bin der Ansicht, dass nachhaltige Lösungen für Wachstum von Personen entwickelt werden, die nicht nur Wissen anhäufen und auf sich selbst achten, sondern der Gesellschaft gegenüber Verantwortung zeigen. Deshalb bieten wir einen Raum zur Entfaltung, der auch die Persönlichkeitsentwicklung fördert.
Welche Lehren ziehen Sie persönlich für sich aus dieser Zeit?
Mich in Gelassenheit zu üben und agil zu bleiben. Als kleine Universität haben wir gezeigt, dass wir in Teams sehr flexibel operieren können und dass Krisen auch das Beste in Organisationen hervorbringen können. Am Ende stehen immer noch der Mensch und dessen Integrität im Mittelpunkt.
Was haben Sie sich auf die Fahne geschrieben, was Sie an der Universität Liechtenstein verändern möchten?
Wir wollen uns auf die Anforderungen konzentrieren, die immer wieder im Raum stehen: Welches sind die relevanten Themen für das Land, und wie können wir Wertschöpfung für Liechtenstein generieren? Wir wollen die Uni als wesentlichen Bestandteil des Landes positionieren. Wir entwickeln, auch ausgelöst durch die Corona-Krise, freien Zugriff auf unsere Lehrinhalte, wie z.B. einen extra zusammengestellten Kurs «Basiswissen BWL» für interessierte Bürgerinnen und Bürger, oder verbinden durch Service-Learning als Unterrichtsmethode das gesellschaftliche Engagement mit fachlichem Lernen. Studierende unterstützen Unternehmen und übernehmen beispielsweise Auslieferungen von Bestellungen oder unterstützen soziale Einrichtungen. Das ergänzt unsere heute schon gut etablierten Angebote wie die Kinder-Uni oder die Campus Gespräche.