Globale Spannungen, technologischer Umbruch, Ressourcenknappheit: Der Wirtschaftsstandort Liechtenstein steht vor grossen Herausforderungen. Wirtschaftsminister Hubert Büchel spricht darüber, warum Verlässlichkeit, Vernetzung und Innovationskraft heute wichtiger sind denn je.
Herr Büchel, Sie übernehmen das Wirtschaftsministerium inmitten tiefgreifender wirtschaftlicher und technologischer Veränderungen. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Wir erleben eine geopolitisch volatile Phase: Handelsbeziehungen werden infrage gestellt, internationale Bündnisse geraten unter Druck, wirtschaftliche Abhängigkeiten werden zunehmend als Risiko wahrgenommen. Viele vormals verlässliche Rahmenbedingungen sind ins Wanken geraten. Gleichzeitig schreitet der technologische Wandel rasant voran: Was gestern noch als innovativ galt, kann heute schon überholt sein. Hinzu kommt der wachsende Druck auf natürliche Ressourcen: Energie, Wasser, Rohstoffe – all das wird knapper, teurer und steht im Fokus von Nachhaltigkeitsdebatten.
Was kann und muss die Politik tun?
Vorausschauend handeln und flexibel bleiben. Wir müssen stabile Rahmenbedingungen schaffen, damit unsere Unternehmen weiterhin investieren und innovativ sein können. Dazu gehört der Ausbau internationaler Partnerschaften, um strategische Abhängigkeiten zu verringern und neue Märkte zu erschliessen. Gleichzeitig braucht es Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung. Es gilt aber auch, den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu fördern.
In welchen Bereichen wollen Sie die Wettbewerbsfähigkeit besonders stärken – und wie?
Liechtenstein ist bereits ein hoch wettbewerbsfähiger Standort. Dieses starke Fundament gilt es zu bewahren und weiterzuentwickeln. Mit Förderinstrumenten wie dem Digital-, dem Innovations- oder dem Exportscheck schaffen wir Anreize, um Unternehmen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Zwei Vorlagen, die im Juni-Landtag behandelt werden, unterstreichen diesen Kurs: Zum einen die Finanzierung der nächsten Förderperiode im Rahmen der schweizerisch-liechtensteinischen Zusammenarbeit im Bereich wissenschaftsbasierter Innovation. Zum anderen die Unterstützung des Reinraum-Investitionsprojekts «Sensor Innovation Hub». Ein weiterer wichtiger Baustein ist unsere aktive Rolle beim grenzüberschreitenden Forschungs- und Innovationszentrum Rhysearch.
Der Fachkräftemangel ist ein Dauerbrenner – was plant die Regierung dagegen zu tun?
Der Arbeitskräftemangel wird ein zentrales Thema bleiben. Lösungen können Wirtschaft und Politik nur gemeinsam finden. Die von der Regierung 2023 eingesetzte Arbeitsgruppe «Arbeitskräftemangel» hat verschiedene Massnahmen vorgeschlagen. Einige wurden schon umgesetzt, weitere sind in Bearbeitung. Für Umsetzung und Monitoring wurde eine Begleitgruppe eingesetzt, die der Regierung jährlich Bericht erstattet. Die geplanten Massnahmen fokussieren auf die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmenden, Weiterbildung sowie die Stärkung der Arbeitgeberattraktivität.
Liechtenstein ist ein kleiner Staat und dennoch Heimat für international tätige Unternehmen. Wie lässt sich diese Position weiter ausbauen, ohne die nationale Identität zu verlieren?
Unser Standort ist gefragt, das zeigen die vielen Anfragen beim Unternehmensservice des Amts für Volkswirtschaft. Unternehmerinnen und Unternehmer schätzen die diversifizierte Wirtschaft, die hohe Lebensqualität und die klaren Regeln. Sie profitieren von der internationalen Vernetzung und der Einbindung in den EWR. Die begrenzte Verfügbarkeit von Flächen und eine gezielte Zuwanderungspolitik tragen dazu bei, die Identität Liechtensteins zu wahren.
Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Bildung in den kommenden Jahren vor?
Liechtenstein profitiert von kurzen Wegen und dem engen Austausch zwischen Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben ein solides Fundament, auf dem wir aufbauen können. Ein gutes Beispiel ist unsere Kooperation mit Innosuisse, der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung. Sie bringt Forschende, Bildungseinrichtungen und Unter nehmen zusammen.
Ganz persönlich: Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe als Wirtschaftsminister am meisten und wo sehen Sie Ihre grösste Wirkungsmöglichkeit?
Ich finde es spannend, an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten. Mein Ziel ist es, gute Voraussetzungen zu schaffen, damit sich unsere Wirtschaft weiterentwickelt, neue Ideen entstehen und Liechtenstein erfolgreich bleibt.