UNTERNEHMERTAG
«Offene Märkte sind von essenzieller Bedeutung»
Liechtensteins Regierungschef-Stellvertreterin und Wirtschaftsministerin Sabine Monauni setzt sich für liberale Rahmenbedingungen und unternehmerische Freiheit ein. Sorgen bereitet ihr der zunehmende Mangel an Fachkräften.
Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation in Liechtenstein?
Die Wirtschaft läuft nach wie vor auf Hochtouren. Gemäss der aktuellen Konjunkturumfrage beurteilen die liechtensteinischen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen mehrheitlich als gut. Geschäftslage, Rentabilität und Personalbestand sind im ersten Quartal auf hohem Niveau stabil geblieben. Die Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Geschäftslage kurzfristig nicht verschlechtern sollte. Langfristig hängt viel davon ab, wie sich die Weltwirtschaft entwickelt.
Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen?
Die Unternehmen stellen einen akuten Fachkräftemangel fest. Der Arbeitsmarkt ist in vielen Branchen absolut ausgetrocknet und die Zahl der offenen Stellen befindet sich auf einem Rekordhoch. Die Regierung hat bereits im Jahr 2023 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um konkrete Massnahmen zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels zu prüfen. Der Bericht der Arbeitsgruppe zeigt insbesondere das bislang ungenutzte Potenzial an Arbeitskräften auf. Wir wollen daher Schritte einleiten, um mehr Frauen für die Erwerbstätigkeit zu gewinnen, das Arbeiten im Alter zu fördern, die Zuwanderungsregeln optimieren und die Erwerbsbeteiligung von Geflüchteten zu erhöhen.
Die Unternehmen beschäftigen sich aktuell intensiv mit der Digitalisierung. Wie fördert die Regierung den digitalen Wandel?
Die Regierung bietet einerseits die Grundinfrastruktur wie das flächendeckende Glasfasernetz und Basisdienste wie die elektronische Identifikation (eID) an. Vor allem die eID ist das Schlüsselelement für die Digitalisierung und den Behördenverkehr in Liechtenstein. Gerade Unternehmen sollten die eID noch stärker in ihre alltäglichen Prozesse integrieren. Gemäss E-Government-Gesetzt hat die Kommunikation zwischen Unternehmen und Amtsstellen künftig auf digitalem Weg zu erfolgen. Dieses Jahr sollen weitere Projekte abgeschlossen werden, darunter die eSignatur, die eBeurkundung, die eVertretung für juristische Personen oder das Servicekonto für Bürger und Unternehmen.
Wie unterstützt die Regierung kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) in Liechtenstein?
KMU sind das Rückgrat der liechtensteinischen Wirtschaft. Liechtenstein zählt über 5000 Unternehmen bei 40’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Damit kommt auf jeden siebten Einwohner ein Unternehmen. Dieses Verhältnis liegt in anderen Ländern deutlich höher. Wir tun einiges, um das Unternehmertum in Liechtenstein zu fördern. Im Zentrum steht dabei eine liberale Wirtschaftspolitik mit möglichst grosser unternehmerischer Freiheit und schlanker Regulierung. Wir setzen aber auch gezielt Förderinstrumente ein, um die Innovationskraft und die Digitalisierung von KMU zu fördern. Neu unterstützen wir Unternehmen auch bei Projekten im Bereich der Nachhaltigkeit. Produzierende Industrie- und Gewerbeunternehmen erhalten ab sofort Zugriff auf Beratungsleistungen, um den Einsatz von Material und Energie zu optimieren. Die Unternehmen können dadurch Massnahmen einleiten, um Betriebskosten zu senken und bessere Produkteigenschaften zu erreichen. Nachhaltiges Wirtschaften im Generellen und Kreislaufwirtschaft im Besonderen stellen zentrale Anliegen der Standortförderungsmassnahmen der Regierung dar.
Die geopolitischen Spannungen stellen immer öfter den freien Handelsverkehr in Frage. Welche Bedeutung haben offene Märkte für den Wirtschaftsstandort Liechtenstein?
Liechtenstein ist aufgrund seiner Kleinheit darauf angewiesen, dass unsere Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen weltweit vertreiben können. Offene Märkte sind daher von essentieller Bedeutung für unseren Wohlstand. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir sowohl mit der Schweiz als auch mit dem europäischen Wirtschaftsraum den freien Warenverkehr haben. Darüber hinaus haben wir ein Netz an Freihandelsabkommen mit zahlreichen Staaten und sind offen für weitere Vereinbarungen mit interessierten Ländern. Ich durfte mich beispielsweise in diesem Frühjahr mit dem stellvertretenden US-Wirtschaftsminister Don Graves austauschen und über mögliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen diskutieren.
Interview: Patrick Stahl